Was für eine Zeit

Orange ist vorbei und damit geht, wie man so schön sagt, eine Ära vorbei. Es war die beste Zeit, die ich bisher in Australien hatte. Ich hatte schon ganz vergessen, wie sich Trauer anfühlt, aber als ich heute morgen den Jungs, die mich noch zum Flughafen brachten, tschüss sagen musste, hatte ich diesen klopfenden Schmerz im Hals und die Tränen liefen noch den halben Flug nach Neuseeland über. Ich wusste es die ganze Zeit, aber heute habe ich durch diesen Schmerz richtig körperlich gemerkt, wie glücklich ich die letzte Zeit in Orange gewesen war. Was war das für eine verrückte, reulos- verschwenderische, magische -einfach perfekte Zeit? Ich habe Menschen, deren Schwächen und Stärken mich rund um die Uhr umgeben haben, tief in mein Herz geschlossen und all' die gemeinsamen Momente haben auf meinem Herz und in meinem Kopf Stempelabdrücke hinterlassen, sodass ich fortan in diesen Mustern fühlen und denken werde. In dieser Zeit war so viel Leben. Das Leben war in den endlosen Stunden im Auto, in denen wir eigentlich nur den Regen abwarteten oder uns aus Langeweile die Augenbrauen rasierten. Es schwamm in den RIVET- Bierdosen für flunkyball gegen die Franzosen. Es war im provisorischen Zähneputzen mit Wasserkanister, auf der Hausparty von 17- jährigen Australiern, die eine Nacht in Bathurst, in unserem Lachen, was wohl das meist gehörte Lied dieser Zeit war. Es war unter unseren Händen beim Handstand machen, zusammen mit Kartoffelschalen unter unseren Füßen, die fast immer nackt waren - ich habe 2 Wochen lang nicht mal gemerkt, dass Olli aus Versehen meine Schuhe weggeworfen hatte. Das Leben lag in meinen Ohren, wenn ich stumm den Jungsgesprächen zuhörte und schon auf den Moment wartete, in dem meine Meinung "als Mädchen jetzt mal so" gefragt war. Das Leben schwamm in den Campingplatzduschen, es sprach englisch und französisch, nüchtern und betrunken, es wurde von Hand zu Hand gereicht - in Form von Schokomilch und jedem anderen Essen, das sobald es in einem Kofferraum entdeckt wurde, JEDEM gehörte. Es lachte über Nick oder all die Insider, die über die Zeit entstanden sind. Es stank in den Autos, aus denen der Rauch-, Schlaf- und feuchte Klamottengeruch kaum noch rausging. Es schmeckte in jedem Mitternachtssnack mit, der mit Taschenlampe im Dunkeln auf dem Gaskocher gemacht wurde. Es drückte sich als Dellen in die Autos, auf denen wir rumsprangen. Es blühte in den Blumen für Arvid, leuchtete in den Kerzen für ihn. Es zersprang in all den Gläsern, Schüsseln und Handys, die zum Beispiel beim Losfahren auf dem Autodach gestanden hatten. Es knisterte im verbrennenden Holz der Lagerfeuer und zerfloss als Marshmallows in unseren Mündern, es sprang mit uns unter den Wasserfall in den Blue Mountains, als wir keine andere Dusche fanden...
Naja es gab tausend verrückte und unglaubliche Momente und Aktionen, aber die könnte ich kaum in Worten wiedergeben und sie sind auch irgendwie ein Schatz dieser Gruppe. :) Theo, Tobi, Max und Basti sind in Orange geblieben. Nick, Nicki, Lukas, Aljoscha, Olli, Fynn und ich sind mit Zwischenstopp in den Blue Mountains (mit Naturdusche und Lagerfeuer) nach Sydney gefahren, wo wir noch die Zeit des Abschieds ganze 3 Tage herauszögerten und am Bondi Beach lagen und nachts feiern waren. Mein Plan ist, die Jungs, die jetzt von Melbourne nach Adelaide übers Outback hoch nach Townsville fahren, wieder einzuholen und zum Beispiel ab Adelaide weiter mit ihnen zu reisen.

Jetzt bin ich jedenfalls seit gestern in Neuseeland bei Jonas und es war so irreal und real zugleich, sich gegenüber zu stehen. Wir haben direkt vorm Flughafen erstmal 5 Stunden gequatscht und gequatscht und so ging das noch den ganzen Tag weiter. Morgen werden wir dann in den Norden fahren und wieder das typische Backpackerleben führen. Es tut so gut, hier zu sein, und auch, wenn ich meine Kamera natürlich in Orange gelassen hab, werde ich irgendwie Fotos machen!:)